Veri solis radius  /  Vox Nostra
Gregorian Chants ~ Musical Networks in Medieval Europe









medieval.org
kuk-art.com
K&K Verlagsanstalt Kuk 119

2015

cm







1. Vexilla regis prodeunt   [2:32]
Processional Hymn ~ Italy, Biblioteca comunale Augusta, Perugia, Ms 2793, 13th Century


2. Deus in adiutorium intende laborantium   [2:46]
Versus ~ Aquitaine, today: Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, Early 12th Century


3. Cunctipotens genitor Deus   [7:03 ]   cc 111
Kyrie Trope ~ Aquitaine, today: Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, Early 12th Century
Spain, Biblioteca de la Catedral Santiago de Compostella, Codex Calixtinus c. 1170


4. Rex virginum amator   [2:48]
Kyrie Trope ~ Scotland, St. Andrews, today: HAB Wolfenbüttel, Helmst. 628 (W1), 13th Century


5. Veri solis radius   [4:45]
Versus ~ Aquitaine, today: Bibl. Nat. Paris, lat. 3719, Early 12th Century


6. Stirps Iesse, Vers Virgo Dei genitrix   [6:27]
Responsorium ~ England, Worcester, Cathedral Chapter Library, F. 160, 13th Century
France, today: Florenz Biblioteca Laurenziana, Pluteo 29.1, 13th Century


7. Patris ingeniti filius   [5:32]
Benedicamus Domino Versus
Aquitaine, today: British Library London, add. 36881, Mid 12th Century
South Germany, today: British Library London, add. 27630, 2nd Half of 14th Century


8. In exitu Israel de Aegypto   [4:38]   Psalm recitation in tonus peregrinus to Psalm 113
England, Alphonso Psalter, British Library London, Additional 24686, 13th Century


9. Laudes Deo   [4:38]
Sanctus Trope ~ Scotland, St. Andrews, today: HAB Wolfenbüttel, Helmst. 628 (W1), 13th Century


10. Ad superni regis decus / Noster cetus  [7:36]   cc 98
Benedicamus Domino Trope
Spain, Biblioteca de la Catedral, Santiago de Compostella, Codex Calixtinus c. 1170
Aquitaine, today: Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, Early 12th Century


11. Lux lucis   [4:40]
Agnus Dei Trope ~ Scotland, St. Andrews, today: HAB Wolfenbüttel, Helmst. 628 (W1), 13th Century


12. Stirps Jesse   [3:33]
Benedicamus Domino Trope ~ Aquitaine, today: Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, Early 12th Century


13. Deus in adiutorium intende laborantium  [2:41]
Motet ~ France, today: UB Bamberg, lit. 115, Late 13th Century











Vox Nostra
Burkard Wehner

Amy Green
Susanne Wilsdorf
Ellen Hünigen
Werner Blau
Burkard Wehner



Concert Date: September 8th, 2013.
A concert hosted by „Kultursommer Rheinland-Pfalz“ (Cultural Summer Rhineland-Palatinate)
and the Catholic parish „St. Bernhard“ Eusserthal.
Further information on the production at www.kuk-art.com
Sound & Recording Engineer: Andreas Otto Grimminger
Mastering: Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler
Photography: Josef-Stefan Kindler
Artwork & Cover design: Josef-Stefan Kindler



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VERI SOLIS RADIUS
Musikalische Netzwerke im mittelalterlichen Europa

Gesänge aus Musikhandschriften waren im Mittelalter ein gefragtes Gut und wurden auf vielfältige Weise durch ganz Europa verbreitet. Sei es mündlich übermittelt, durch kundige Schreiber abgeschrieben oder als Geschenk überreicht. Die Wege des Austausches von musikalischem Repertoire kann man durch ganz Europa verfolgen und in verschiedenen Musikhandschriften lassen sich zahlreiche Konkordanzen nachweisen.Oft hatte die Veränderung des Repertoires eines Klosters oder einer Kathedrale mit dem Bestreben zu tun, an den musikalischen Neuerungen der Zeit teilzuhaben oder vorgeschriebene neue Reformen umzusetzen. Durch diese neue Musik wiederum wurden auch verstärkt Gläubige und Pilger angezogen. Viele Klöster und kulturelle Zentren im mittelalterlichen Europa profitierten von dem steigenden Strom der Pilger wie die berühmte Kathedrale Santiago de Compostela in Spanien und St. Andrews in Schottland. Bereits an der Kathedrale Notre-Dame in Paris entwickelte sich um 1200 ein ganz neues Repertoire mehrstimmiger liturgischer Gesänge, das bald viele Bewunderer aus ganz Europa anzog. So berichtet ein als Anonymus IV bekannter englischer Gelehrter von den erstaunlichen musikalischen Neuerungen der Magister Leoninus und Perotinus und schildert plastisch ihre immense Anziehungskraft für viele Menschen im damaligen Europa.

In der Folge überliefern mehrere Handschriften große Teile dieses Repertoires gleichermaßen. Eine davon wurde weit entfernt im schottischen St. Andrews verwendet und vermutlich in Teilen auch dort geschrieben. Sie enthält neben vielen konkordanten Stücken im 13. Faszikel auch eine Reihe singulärer Tropen (spezielle textliche und melodische Erweiterungen), die nicht den Weg in die jüngeren von Notre-Dame beeinflussten Handschriften auf dem Kontinent fanden. Von diesen Unica sind in diesem Programm dreistimmige Tropen zu hören.

Ein anderes weit verbreitetes Überlieferungsgeflecht bilden Tropen zum Kyrie eleison der Messfeiern, von denen sowohl die Grundmelodie mit ihrem speziellen Text als auch mehrstimmige Bearbeitungen in Europa kursierten. Diese finden wir in sowohl in St. Andrews, St. Martial de Limoges, Santiago de Compostela und Notre-Dame de Paris.

Auch die im 11. und 12. Jahrhundert in Aquitanien neu entwickelten ein- und zweistimmigen Versus-Kompositionen sind in verschiedenen französischen und süddeutschen Handschriften überliefert. Das für dieses Konzert namensgebende  „Veri solis radius“ ist dafür ein berühmtes Beispiel. Das vorliegende Programm zeigt die mannigfaltigen Beziehungen von europäischen Kulturzentren untereinander, vor allem den regen Austausch von Gesängen - auch über große Distanzen hinweg - und den Wandel, den die Gesänge dabei erfuhren.

Burkard Wehner / Ellen Hünigen









VERI SOLIS RADIUS
Musical networks in medieval Europe

Songs from music manuscripts were in great demand in the middle ages, and they circulated in many different ways: orally, notated by trained scribes or given as a gift. The paths of repertorial exchange can be traced across the whole of Europe by the many concordances found in music manuscripts.

A change of repertory in a monastery or cathedral was often connected with a desire to take part in the musical innovation of the time, or to implement prescribed reforms. This new music in turn attracted the faithful and pilgrims in greater numbers. Many European monasteries and cultural centres, such as the cathedrals of Stantiago de Compostela in Spain and St. Andrews in Scotland, profited from the increasing flow of pilgrims. Notre Dame Cathedral in Paris had already developed an entirely novel polyphonic repertoire, which soon attracted many admirers from throughout Europe. The English scholar known as Anonymous IV, for example, vividly describes the enormous appeal the musical innovations of Magisters Leonin and Perotin had for many of his contemporaries.

In consequence, several similar manuscripts of large parts of this repertory have come down to us. One manuscript was removed far away to St. Andrews, and was probably in part also written there. Besides many concordant pieces in its 13th fascicle are a series of unique tropes (special textual and melodic amplifications) that did not find their way into the younger, continental manuscripts influenced by Notre Dame. Our programme contains three-part tropes from this group of unica. Another widely disseminated layer of tradition consists of Kyrie tropes, whose particular texts survive with their original melody as well as in polyphonic settings. We also find these in St. Andrews, as well as in St. Martial de Limoges, Santiago de Compostela and Notre-Dame de Paris. Another genre, the verse compositions that were newly developed in Aquitaine in the 11th and 12th centuries, turn up again in French and South German manuscripts. A famous example, “Veri solis radius”, has been chosen for the title of this concert. The present programme demonstrates the manifold relationships between European cultural centres, especially the flood of music exchange - even over great distances - and the mutations that the music underwent in the process.

Burkard Wehner / Ellen Hünigen
Translation: Paul Shannon










1. Vexilla regis prodeunt
Prozessionshymnus
Italien, Biblioteca comunale Augusta, Perugia, Ms 2793, 13. Jh.

Hymnen sind geistliche strophische Lieder, die sich in Syrien und Griechenland bis ins Urchristentum zurückverfolgen lassen. Die lateinischen Hymnen wurden von Ambrosius von Mailand (+397) in eine vierzeilige jambische Form von je acht Strophen gebracht. Die kurzen, rhythmisch eingängigen Verse und die populären Melodien machten den Hymnus überaus beliebt. Vorliegender Hymnus stammt aus dem 6. Jahrhundert. Venantius Fortunatus ist der Textdichter, der bilderreich die Symbolik des Kreuzes beschreibt.


2. Deus in adiutorium intende laborantium
Versus
Aquitanien, heute Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, frühes 12. Jh.

Aquitanien war vor allem im 11. und 12. Jahrhundert eine Region mit reichhaltiger Produktion von Musikhandschriften. Den Versus „Deus in adiutorium“ finden wir nicht nur in der aquitanischen Handschrift, aus der er hier am Anfang des Konzertes erklingt, sondern auch in einer Handschrift aus dem späten 13. Jahrhundert, aus welcher er am Ende des Programms gesungen wird. In der aquitanischen Handschrift ist er zwar einstimmig notiert, wenn man jedoch jeweils den Melodieabschnitt der zweiten Zeile im Vers mit demjenigen der ersten Zeile zusammenbringen, entsteht ein zweistimmig funktionierendes Stück. Für diese sukzessive Notations- und Kompositionstechnik gibt es mehrere Beispiele in der Handschrift Paris, Bibl. Nat. lat. 1139 (St. Martial A). Stimmkreuzung ist ein besonderes Merkmal der aquitanischen Versus, von denen uns im Programm einige anonym überlieferte Kompositionen begegnen. „Deus in adiutorium“ ist - wie alle aquitanischen Stücke - in einer speziellen Neumennotation aufgezeichnet, die der Quadratnotation vorausging. In der Handschrift lat 1139 gibt es nur eine Ritzlinie ohne Tinte, die Neumen sind sind meist diastematisch angeordnet, so dass sich Tonhöhen ablesen lassen.


3. Cunctipotens genitor Deus
Kyrie-Tropus
Aquitanien, heute Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, frühes 12. Jh.
Spanien, Biblioteca de la Catedral Santiago de Compostella, Codex Calixtinus um 1170


Das folgende Kyrie und seine Tropierungen haben wir zu einem Komplex zusammengefasst. Tropen sind eine bestimmte Form von Bearbeitungen vorhandener Gesänge. Zum einen kann dabei einem melismatischen Gesang ein neuer Text unterlegt werden, zum anderen können auch neue Melodien mit neuen Texten geschaffen werden, meist als Vorsätze und mehrfache Einschübe. Die dritte Möglichkeit ist, zu vorhandener Melodie noch eine weitere Stimme mit neuem Tropustext dazuzukomponieren. Im diesem Konzert wurden zwei solche Kyrie-Tropen miteinander verbunden: Ein einstimmiges aquitanisches „Cunctipotens“ wird gekoppelt mit dem als zweistimmiges Organum gesetzten gleichnamigen Text aus dem Codex Calixtinus, einer Handschrift aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die für die Jacobus-Liturgie der Kathedrale im spanischen Santiago de Compostela zusammengestellt wurde. Die Oberstimme schweift melismatisch über der Unterstimme, welche die gedehnte Kyrie-Melodie enthält. Die Neumen sind hier bereits auf Linien geschrieben, welche mit Cund F-Schlüsseln versehen sind.


4. Rex virginum amator
Kyrie-Tropus
Schottland, St. Andrews, heute HAB Wolfenbüttel, Helmst. 628 (W1) 13. Jh.

Dieses zweistimmige Organum hat einen völlig anderen Charakter als jenes zuvor aus dem Codex Calixtinus: es ist weniger melismatisch, dafür aber streng rhythmisiert. Die Handschrift, in der es aufgezeichnet ist, stammt aus dem Kloster St Andrews in Schottland. Sie enthält viele konkordante Stücke aus dem Repertoire der Kathedrale Notre-Dame de Paris, was bedeutet, dass hier Überlieferungen weite Wege zurückgelegt haben. Sie ist aber auch der Aufzeichnungsort für singuläre Stücke, die in keiner anderen uns überlieferten Handschrift zu finden sind. Von diesen, in der Stilistik recht besonderen Stücken werden im Programm noch zwei dreistimmige Tropen zum Ordinarium der Messe gesungen.


5. Veri solis radius
Versus
Aquitanien, heute Bibl. Nat. Paris, lat. 3719, frühes 12. Jh.

Dieser berühmte zweistimmige Versus ist ein Gesang über den Menschensohn Jesus, der als Strahl der wahren Sonne, als unversehrter Abglanz den Leib der Jungfrau betreten hat. In religiös-philosophischen Betrachtungen wird sein Wirken in der Welt, aber auch die Welt selbst beschrieben. Die beiden Stimmen sind in komplexer Weise, aber ohne gemessene Rhythmisierung, miteinander verflochten, wobei die Oberstimme tendenziell mehr Töne als die Unterstimme hat. Der Stil solcher Stücke aus aquitanischen Quellen ist exzeptionell und nicht nur melodisch, sondern auch harmonisch äußerst eigen. „Veri solis“ ist in vier Quellen des 12. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Orten in Aquitanien enthalten. Die Versus sind poetisiert-philosophische Gesänge mit neuen religiösen Texten. Sie wurden bei den kirchlichen Festen, für die sie bestimmt waren, gesungen und bereicherten die musikalische Ausgestaltung des Festtages.


6. Stirps Iesse, Vers Virgo Dei genitrix
Responsorium
England, Worcester, Cathedral Chapter Library, F. 160, 13. Jh.
Frankreich, heute Florenz Biblioteca Laurenziana, Pluteo 29.1, 13. Jh.


Zunächst wird das einstimmige Responsorium „Stirps iesse“ aus dem Worcester-Antiphonar des 13. Jahrhunderts vorgestellt. Danach erklingt eine dreistimmige Bearbeitung des ersten Melodieabschnittes des Responsoriums über den Worten „Stirps Iesse“ aus einer der berühmten Quellen mit Musik der Kathedrale Notre-Dame de Paris aus dem 13. Jahrhundert. Bei dieser mehrstimmigen und ursprünglich solistisch vorgetragenen Anfangsformel sind die beiden Oberstimmen rhythmisiert über der Unterstimme (Tenor), welche die einstimmige Fassung in gedehnter Form als Basisstimme vorgibt. Danach wird der Rest des einstimmigen Responsoriums gesungen. Das Melisma über „flos filius“ diente als Modell für eine Benedicamus Domino-Melodie, die auch dem aquitanischen „Stirps Iesse“ zugrunde liegt.


7. Patris ingeniti filius
Versus zum Benedicamus Domino
Aquitanien, heute British Library London, add. 36881, Mitte 12. Jh.
Süddeutschland, heute British Library London, add. 27630, 2. Hälfte 14. Jh.


In der jünsten der zweistimmigen aquitanischen Handschriften ist ein schlichter Versus enthalten, der - mit kleinen Abweichungen und anderer Rhythmisierung - in einer süddeutschen Quelle des 14. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde. Über lange Zeit wurde dieses Stück konserviert und wanderte durch den europäischen Raum. Auch hier stehen am Ende des Textes die Worte „benedic domino“ bzw. „laus honor domino“, was seine Funktion als Benedicamus Domino zum Abschluß der Messe oder des Stundengebets verdeutlicht. An beiden Stücken ist die unterschiedliche Harmonik aus Aquitanien des 12. Jahrhunderts und Deutschland des 14. Jahrhunderts deutlich ablesbar.


8. In exitu Israel de Aegypto
Psalmrezitation im tonus peregrinus auf Psalm 113
England, Alphonso Psalter, British Library London, Additional 24686, 13. Jh.


9. Laudes Deo
Sanctus-Tropus
Schottland, St. Andrews, heute HAB Wolfenbüttel, Helmst. 628 (W1) 13. Jh.

Das sogenannte „Dreimal-Heilig“, der dreimalige Sanctus-Ruf, geht zurück auf die Frühzeit des Christentums und lässt sich in das 2. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Karfreitagsliturgie kennt heute noch das griechische Trishagion, bei dem je dreimal „Hagios o theos“ und dreimal „Sanctus“ intoniert werden. Unsere Fassung aus dem Repertoire von Notre-Dame de Paris ist textlich stark erweitert (tropiert) und hat zwischen den einstimmigen Choralteilen dreistimmige Einschübe erhalten, dessen Texte auf das jeweilige Fest im Kirchenjahr rekurrieren. Dieser dreistimmige Tropus stammt aus jenem Teil der in Schottland benutzten und vielleicht auch geschriebenen Handschrift, welche nur Unika enthält. Ansonsten teilt diese Handschrift auch viel Repertoire mit Handschriften, die in Notre-Dame de Paris in Gebrauch waren. Es muss also ein reger Austausch von Handschriften und Kompositionen über diese große Nord-Süd-Entfernung hin bestanden haben.


10. Ad superni regis decus / Noster cetus
Benedicamus Domino-Tropus
Spanien, Biblioteca de la Catedral, Santiago de Compostella, Codex Calixtinus um 1170
Aquitanien, heute Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, frühes 12. Jh.


Auch „Noster cetus psallat letus“ gehört zur Gattung der Versus und ist in einer der aquitanischen Quellen in jener eigenartigen sukzessiven Art aufgezeichnet wie das erste Stück des Konzertes „Deus in adiutorium“. In der jüngsten der zweistimmigen aquitanischen Quellen ist das Stück dann in Partiturnotation mit Linien und Schlüsseln aufgezeichnet. Mit nur kleinen Abweichungen und verlängerten melismatischen Versenden finden wir das Stück mit dem Text „Ad superni regis“ im Codex Calixtinus wieder, was den musikalischen Transfer von Südfrankreich in das nord-westliche Spanien belegt. Um Ähnlichkeiten wie auch Unterschiede wahrnehmbar zu machen, werden beide Stücke miteinander verflochten.


11. Lux lucis
Agnus Dei-Tropus
Schottland, St. Andrews, heute HAB Wolfenbüttel, Helmst. 628 (W1) 13. Jh.

Dieser dreistimmige Tropus mit musikalischen und textlichen Einschüben zum Agnus Dei gehört zu dem besonderen Repertoire der bereits erwähnten Handschrift aus dem schottischen Kloster St. Andrews. Erst relativ spät unter dem griechischen Papst Sergius I. (687-701) fand das „Agnus Dei“ Eingang in die Messfeier der Christen. Seinen textlichen Ursprung finden wir im „Gloria in excelsis Deo“. Der Gesang begleitet das Brechen des Brotes während der Wandlung. Wie das „Sanctus“ wird auch das „Agnus Dei“ dreimal intoniert, zweimal mit dem Abschluss „miserere nobis“ und beim drittenmal mit „dona nobis pacem“.


12. Stirps Jesse
Benedicamus Domino-Tropus
Aquitanien, heute Bibl. Nat. Paris, lat. 1139, frühes 12. Jh.

Diese Komposition aus Aquitanien gilt in der Musikgeschichte als eine der ersten lesbaren Beispiele für europäische Mehrstimmigkeit. Es erklingen dabei zwei Texte simultan: „Benedicamus Domino“ und „Stirps Iesse“. Über den gedehnten Tönen der Benedicamus-Melodie, die aus dem bereits gehörten „flos filius eius“ gewonnen wurde, singt die obere Stimme meist melismatisch einen neue poetischen Text mit dem gleichlautenden Beginn „Stirps Iesse“. Die Notation der textreichen Oberstimme erfolgte auf geritzten Linien, wobei die wenigen Silben und die Töne der Unterstimme rot eingekreist am unteren Rand des Systems Platz fanden. Auch diese Komposition ist in zwei aquitanischen Quellen (mit kleinen Abweichungen voneinander) überliefert und ist ein wunderbares Beispiel mehrstimmiger Vokalmusik am Ende einer Messfeier.


13. Deus in adiutorium intende laborantium
Motette
Frankreich, heute UB Bamberg, lit. 115, spätes 13. Jh.

Der Text des ersten Stückes im vorliegenden Programm (s.o. unter Stücknr. 02) wurde fast zwei Jahrhunderte später musikalisch von der Zwei- zur Dreistimmigkeit erweitert und neu rhythmisiert und beschließt das Konzert. Auch dieser Gesang hat seine Ursprungsregion Aquitanien verlassen, was wir an den überlieferten Handschriften ablesen können. Er ist in einer der umfangreichsten Motettensammlungen des 13. Jahrhunderts aus Paris oder dem Pariser Umfeld niedergeschrieben worden und beweist den regen Austausch von liturgischen Vokalkompositionen in Frankreich im 12. und 13. Jahrhundert.









Eusserthal Abbey

Eusserthal Abbey (German: Kloster Eußerthal) was a Cistercian abbey in Eusserthal near Annweiler am Trifels in the Rhineland-Palatinate, Germany. All that now remains of it is the front portion of the abbey church, which is now used as a parish church.

The building of the church is thought to have been begun about 1220; it was dedicated in 1262. The plan and basic structure are Romanesque but the vaulting shows Early Gothic influence. In accordance with Cistercian custom the church has no towers, just a flèche, or miniature spire, over the crossing, and the interior is without colour. The construction is of local red sandstone. The structure is of a pillared basilica of three aisles and a transept on a Latin cross ground plan. The vaults in the nave and the choir are secured by open buttresses. The resemblance to the church of Otterberg Abbey, which was built earlier,
is unmistakable, although the church at Otterberg is larger. The conventual buildings and the cloisters have disappeared, and of the church there now remain only the choir, the transept and the first bay of the nave. In the wall of the choir is a rose window with tracery, and over the arch of a door a well-preserved relief sculpture of a dragon in sandstone.

In the 18th century the remains of the abbey church were re-worked as a parish church. At that time the upper window openings were closed and the ruins of the bulk of the nave were demolished, and replaced by a simple west front. The acoustics of the resulting building are ideal for the performance of church music, and the summer concerts held here are well-known. In 1961 substantial restorations took place, which have had the effect of emphasizing the Romanesque character of the structure.

Wikipedia, the free encyclopedia (May 6th 2015)


Publishing Authentic Classical Concerts entails for us capturing and recording for posterity outstanding performances and concerts. The performers, audience, opus and room enter into an intimate dialogue that in its form and expression, its atmosphere, is unique and unrepeatable. It is our aim, the philosophy of our house, to enable the listener to acutely experience every facet of this symbiosis, the intensity of the performance, so we record the concerts in direct 2-Track Stereo digital. The results are unparalleled interpretations of musical and literary works, simply - audiophile snapshots of permanent value. Flourishing culture, enthralling the audience and last but not least also you the listener, are the values we endeavor to document in our editions and series.

Andreas Otto Grimminger & Josef-Stefan Kindler










Vox Nostra

Das Vokalensemble wurde 1999 in Berlin von Burkard Wehner gegründet und interpretiert ein- und mehrstimmige Musik des Mittelalters und der Renaissance aus Handschriften des 9. bis 16. Jahrhunderts. Gregorianische Choralgesänge sind ebenso Teil des Repertoires wie frühe mehrstimmige Kompositionen des 12. und 13. Jahrhunderts aus Aquitanien und Notre-Dame de Paris, italienische Lauden sowie die klangvollen polyphonen Kompositionen der Renaissance.

Aus Kompositionen der frühen europäischen Kulturzentren wie Klöstern, Kathedralen und Höfen gestaltet Vox Nostra sinnvoll zusammengestellte Konzertprogramme, die den Zuhörer in die archaischen Klangwelten des Mittelalters entführt. Im Gegensatz zu den heutigen wohltemperierten Hörgewohnheiten zeichnen sich die Gesänge vor 1600 durch ihre besondere Klangästhetik reiner Intervalle aus, die auf dem alten pythagoräischen Tonsystem der Griechen beruht.

Das Singen aus den Originalhandschriften mit Neumen- und Modalnotationen gehört zur musikwissenschaftlich fundierten Arbeitsweise des Ensembles. Der menschliche Atem ist das Zeitmass für die textbasierten Gregorianischen Choräle der Benediktiner und die je eignenen Gesänge der Franziskaner, Dominikaner und (vor allem) der Zisterzienser, deren Zauber sich durch die reiche Verzierungskunst der Neumen und die unendlich scheinenden Melodiebögen entfaltet. Um den komplexen Zusammenklängen dieser Musik in Räumen mit guter Akustik entsprechende Wirkung zu verleihen, wird vom Ensemble ein obertonreicher Vokalklang bevorzugt.

Auftrittsorte des Ensembles sind Kathedralen, Dome und Kirchen, die historisch und akustisch mit den Gesängen korrelieren. Darüberhinaus experimentiert das Ensemble mit den klanglichen Möglichkeiten von Galerie-, Kongress-, Museums- und Industrieräumen. Vox Nostra setzt auch Kompositionen aus dem Bereich der Neuen Musik klanglich um, bei denen Vokalfarben und Mikrointervalle Verwendung finden.

Eine weitere Besonderheit von Vox Nostra ist die ortsspezifische Positionierung und die Bewegung der Solistinnen und Solisten im Raum. Auf diese Weise wird die Musik optisch und akustisch - im Gegensatz zur Aufführungspraxis des 19. und 20. Jahrhunderts - neu erfahrbar gemacht, wobei auch auf traditionelle liturgische Rituale zurückgegriffen wird.

In jüngster Zeit hat sich das Ensemble auch der Neuen Musik zugewandt und sie, z. T. mit Uraufführungen, in Konzerte und Aufnahmen einfließen lassen. Komponisten sind u. a. Friedrich Schenker, Ralf Hoyer, Gwyn Pritchard, Carlo Inderhees, Alvin Lucier, Mayako Kubo, Thomas Gerwin und Martin Daske.

Vox Nostra

The members of Vox Nostra have pursued extensive scholarship in the fields of musicology, medieval paleography, and theology. The music of Vox Nostra combines expressive musicality and academic curiosity. The repertoire includes Gregorian and pre-Gregorian chant and the specific liturgical music of the different medieval orders like Cistercians, Dominicans, Carthusians and Franciscans dating from the 10th to the 14th century. Furthermore Vox Nostra sings early 12th century polyphonic compositions from St. Martial (Aquitaine), compositions from the famous cathedral of Notre-Dame de Paris (starting from 1200), Italian laude of the 13th century, and the richly polyphonic compositions of the Renaissance.

In addition to Early Music, Vox Nostra interprets contemporary music, devised and composed to experimenting with vocal color and microintervals. In both old and contemporary music performances Vox Nostra regularly collaborates with lighting designers, and other visual artists, in order to enrich the visual and theatrical aspects of the performance.

A special feature of the ensemble is the practice of singing scores researched from original manuscripts. The musical interpretation made by Vox Nostra has specific consequences on the old forms of notation, such as neumatic notation of the chorale, the modal notation of the Notre-Dame organa, and mensural notation. Which each employ a great number of symbols indicating that melodic ornamentation that should be sung. In order to give these features the emphasis they deserve, ensemble Vox Nostra favors a slow, flowing style of performance in an appropriately restrained tempo. The vocal sound which results is rich in overtones, and fills the entire space; it allows the archaic and pure intervals of this music to be fully appreciated, and ensures that the complex weaving of the individual voices is clearly audible. In addition to the original manuscripts, research and this interpretation of the music from the 12th-16th centuries also provides new information the regarding tempo, ornamentation and the practice of solo performance of the chants.

The music of Vox Nostra is best suited to a large space with a good acoustic and hence no amplification is required. Churches are of course suitable for the liturgically structured programs, yet more modern settings like galleries, or industrial sites also provide a provocative backdrop for the music. The unique acoustical situation of each concert location influences concert presentations, as well as the choreography of singers, hence time in each venue to work how the singers can move between various points in the room to integrate the acoustic properties of each site into the score.






Amy Green

Geboren in Alamo, Kalifornien, U.S.A. 2001 Diplom für Gesang im Fach Alte Musik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen. Privatstudien Mittelalterliche Harfe mit Judy Kadar und Arabische Musik mit Farhan Sabbagh. Solo- und Ensemblesängerin mit Green/Sudmann (Zeitgenössische Kunstlieder), Elysium (Vokalensemble mit CD-Einspielungen bei DECCA). Kusskuss (Musik des Frühbarock), Teatro de Liezenbourg (Barockopernproduktion mit der Hauptrolle der Procride in der modernen Fassung der Oper „Cefalo e Procride“ von Giovanni Bononcini). Zusammenarbeit mit Sarband, Ensemble Penalosa, Ordo Virtutum, Alta Musica, Friedrich Lichtenstein.

Born in Alamo, California, U.S.A. 2001 Early Music Voice Degree, Staatliche Hochschule für Musik, Trossingen. 2001 Private study of medieval harp, with Judy Kadar, and, Arabic Music, with Farhan Sabbagh. Solo and ensemble singer in diverse contexts including: Member of ensembles Green/Sudmann (Contemporary Art Song), Elysium (Vocal ensemble. Recorded for Decca), Kusskuss (Early Baroque music), Teatro de Liezenbourg (Baroque Opera. Played lead Role of Procride in modern premier of Giovanni Bononcini´s opera Cefalo e Procride). Collaboration with Sarband, Ensemble Penalosa, Ordo Virtutum, Alta Musica, Friedrich Lichtenstein.



Ellen Hünigen

1985 bis 1989: Kompositions- und Klavierstudium an der Hochschule für Musik “Hanns Eisler”, Berlin. 1989 bis 1991: Meisterschülerstudium bei Friedrich Goldmann an der Akademie der Künste zu Berlin. Seit 1990: Lehrauftrag für Tonsatz/Gehörbildung an der Hochschule f. Musik „Hanns Eisler“ und am C.Ph.E.-Bach-Gymnasium. Aufführungen ihrer Kompositionen durch Ensembles und Orchester in Deutschland, der Schweiz, Italien und den USA. Mitglied des Ensembles “Musikalischer Religionsdialog”, das jüdische, christliche, christlich-orthodoxe, byzantinische und muslimische Musiktradition zur Aufführung bringt. Seit 2008: Mitglied des Graduiertenkollegs 1458 „Schriftbildlichkeit“ an der Freien Universität Berlin, Dissertation zur Notation in Aquitanischen Musikhandschriften des 12. Jahrhunderts.

Ellen Hünigen studied composition and piano at the Music Conservatory Hanns Eisler Berlin from 1985 till 1989. Contemporary music courses (International Bartok Seminar in Szombathely, Hungary, 1989 composition prize at the Geraer Ferienkurse für zeitgenössische Musik. From 1989 to 1991 advanced studies in composition with Friedrich Goldmann at the Akademie der Künste in Berlin. Diverse composition stipendia. Since 1990, teacher for music theory and piano at various private and public schools as well as at the Music Conservatory Hanns Eisler. Her own music has been performed by various ensembles in Germany, Switzerland, Italy and USA. Member of the vocal ensemble Musikalischer Religionsdialog which aims to connect and to interweave music of Jewish, Catholic, Orthodox Christian, Byzantine and Muslim traditions. Since 2008 working on a dissertation on musical notation in Aquitanian music manuscripts of the 12th century.



Susanne Wilsdorf

Studium der Musikwissenschaft, Berlin. Stipendiatin in Basel bei Wulf Arlt. Studium Gesang Akademie für Alte Musik/Hochschule Bremen bei Harry van der Kamp. Sängerin in verschiedenen Ensembles: Collegium Vocale Gent, Las Huelgas Ensemble, Vocalconsort Berlin. Musica Fiata Köln, LauttenCompagney Berlin u.a. Zusammenarbeit u.a. mit Philipp Herreweghe, René Jacobs, Marcus Creed, Attilio Cremonesi . Konzertreisen nach Frankreich, Israel, Luxembourg, USA, Syrien, Schweden. Mitwirkung bei verschiedenen Produktionen mit Sasha Waltz & Guests.

Study of musicology in Berlin. Awarded with a stipendium for study in Basel with Wulf Arlt. Study of voice at the Akademie für Alte Musik/Hochschule Bremen with Harry van der Kamp. Ensemble Singer: Collegium Vocale Gent, Las Huelgas Ensemble, Vocalconsort Berlin, Musica Fiata Köln, LauttenCompagney Berlin. Collaboration with Philipp Herreweghe, Rene Jacobs, Marcus Creed, Attilio Cremonesi. Concert touring in France, Israel, Luxembourg, USA, Syria, Sweden. Participation in diverse productions of Sasha Waltz & Guests.



Werner Blau

Studienrat für Musik und Geographie in Berlin. Schulmusik- und Diplomstudium Klavier bei Thea Boué-Noack (Mainz). Private Gesangsstudien u.a. bei Bettina Spreitz-Rundfeldt, Ralph Eschrig, Evelyn Tubb und Stephen Varcoe (Dartington Summerschool) . Solo- und Ensemble-Bass mit Schwerpunkt Alte Musik . Liedbegleiter für das Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts.

Music and geography teacher in Berlin. Pedagogical and performance degree in piano under Thea Boue-Noack (Mainz). Private vocal instruction with Bettina Spreitz-Rundfeldt, Ralph Eschrig, Evelyn Tubb und Stephen Varcoe (Dartington Summer school). Solo and ensemble bass (focus Early Music). Pianist / accompanist of Lied repertoire of the 19th and 20th century.



Burkard Wehner - Gründer und musikalischer Leiter von Vox Nostra

Spezialstudium „Vokalmusik des Mittelalters und der Renaissance“ und Studium der Musikwissenschaft am Brabant Konservatorium in Tilburg, Holland. Internationale Meisterkurse u.a. bei Andrea von Ramm, Jill Feldman, Marcel Pérès und Pedro Memelsdorff. Solistische Tätigkeit als Sänger auf zahlreichen internationalen Festivals in Polen, Holland, Österreich, Frankreich und Deutschland. Umfangreiche wissenschaftliche Tätigkeiten im Bereich mittelalterlicher Quellenforschung. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für die Grosse Landesausstellung in Konstanz 2014: „Das Konstanzer Konzil - Weltereignis des Mittelalters“.

Study of Medieval and Renaissance Vocal Music and musicology at the Brabant Conservatory in Tilburg, Holland. International master classes with Andrea von Ramm, Jill Feldman, Marcel Peres and Pedro Memelsdorff. Soloist at many international festivals in Poland, Holland, Austria, France, and Germany. Extensive musicological activity in the research of medieval source material. Teaches workshops and seminars on the interpretation and performance practice of medieval vocal music. Member of the advisory board for the exhibition ‚The Council of Constance 1414-1418‘ in Constance from April to September 2014.