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elefunken "Das Alte Werke" SAWT 9522-A
Musik und ihre Zeit
1967
CD, 1988: Teldec "Das Alte Werk" 8.44 012 ZS
A
1. CB 22. Homo quo vigeas [1:26]
Mezzosopran, 3 Tenöre, Baß, , Rebec, Posaune
Walter von CHÂTILLON
2. CB 3. Ecce torpet [6:56]
Baß, Organetto, Fidel, Laute, Tambourin, Schellen
3. CB 8. Licet eger cum egrotis [4:40]
Tenor, Rebab
Peter von BLOIS
4. CB 31. Vite perdite [3:02]
Mezzosopran, Kontratenor, 3 Tenöre, Baß, Rebec, 2 Tambourins
5. CB 47. Crucifigat omnes [3:06]
Mezzosopran, Kontratenor, 3 Tenöre, Baß
6. CB 14. O varium Fortuna [4:05]
Mezzosopran, Tenor
B
7. CB 15. Celum non animum [4:25]
Mezzosopran, 2 Tenöre
Peter von BLOIS
8. CB 30. Dum iuventus [3:17]
Tenor, Laute, Fidel
9. CB 71. Axe Phebus aureo [2:59]
Mezzosopran, Rebec, Laute
10. CB 143. Ecce gratum [3:04]
Tenor, Laute, Fidel, Organetto, Schellen, Tambourin
11. CB 146. Tellus flore [2:40]
Kontratenor, Citôle
12. CB 179. Tempus est iocundum [3:22]
Mezzosopran, Rebec, Citôle
Neidhardt von REUENTHAL
13. CB 168a. Nu gruonet aver diu heide [3:31]
tenor, Harfe, Psalterium, Rebab
STUDIO DER FRÜHEN MUSIK
Early Music Quartet
Thomas Binkley
Andrea von Ramm, Mezzosopran, Harfe, Organetto
Willard Cobb, Tenor, Tambourin
Sterling Jones, Rebec, Fidel, Rebab
Thomas Binkley, Posaune, Laute, Tambourin, Citôle, Psalterium
Weitere Mitwirkende:
Grayston Burgess, Countertenor
Nigel Rogers, Tenor, Schellen, Tambourin
Desmond Clayton, Tenor
Jacques Villisech, Baß
Aufnahmeort: Amsterdam
Aufnahmedatum: Oktober 1967
Produktionsleitung: Wolf Erichson
Ⓟ 1967 TELDEC
Quellen
Cambridge, University Library Ff I 17
Erfurt, Staatsbibliothek Amplon. Oct 32
Florenz, Bibl. Laurenziana Pluteus 29. 1
München, Bayr. Staatsbibliothek, Codex Buranus cm. 4660 (= Carmina Burana)
Zu den kostbarsten Schätzen der Bayerischen Staatsbibliothek in
München gehört der Codex Latinus Monacensis 4440, der die
umfangreichste und wichtigste Sammlung weltlicher lateinischer Lyrik
des Mittelalters (der in fälschlicher Verallgemeinerung
sogenannten „Vagantenlyrik") enthält, die Carmina
Burana. Ehe die Handschrift im Zuge der Säkularisation der
bayerischen Klöster 1803 in die Kgl. Hof- und Centralbibliothek
gelangte, hatte sie sich im Kloster Benediktbeuern befunden; danach
erhielt die Gedichtsammlung durch ihren ersten Herausgeber, den
Bibliothekar Johann Andreas Schmeller, den Namen „Lieder aus
Benediktbeuern".
Als die Handschrift nach der Mitte des 13. Jahrhunderts irgendwo in
südlichen Bayern (oder Tirol?) geschrieben wurde, war die
Blütezeit der weitlichen lateinischen Dichtung bereits
vorüber. So ist denn auch die Sammlung man etwa das
„Textbuch eines Vaganten", sondern eine Anthologie, die im
Auftrag eines höhergestellten, vermutlich geistlichen Herrn, der
ein Liebhaber der Dichtung war, angelegt worden. Als Buchtyp
läßt sich die Handschrift der Carmina Burana den
großen Sammelhandschriften mittelhochdeutscher Dichtung, wie z.
B. der Manesseschen Liederhandschrift, vergleichen.
Die Handschrift vereinigt über 200 Stücke sehr verschiedenen
Inhalts und Charakters. Ihre (durch Verbinden gestörte). Anordnung
erfolgte nacht festem Plan in vier Hauptgruppen; moralisch-satirische Gedichte - Betrachtungen und Klagen über den Lauf der Welt, den Verfall der Sitten usw.; Liebeslieder; Trink- und Spielerlieder und eigentliche Vaganten-lieder (keine Neurmierung vorgeschen); geistliche Schauspiele. Neben Gedichten von unmittelbarer Empfindung stehen ausgesprochen
schulmäßige und gelehrte Stücke. Die große Masse
stammt aus dem späten 11. und dem 12. Jahrhundert; den Hauptanteil
stellen Gedichte französischen Ursprungs. Unter die lateinischen
gemischt finden sich auch einige weinige deustche Gedichte. Wie in
solchen Sammlungen üblich, werden die Namen der Vefasser fast
ausnahmslos nicht genannt; doch sind viele der Gedichte auch aus
anderer Überlieferung erhalten. So können einige bekannte
Dichter, wie Walther von Châtillon, Petrus von Blois, dem
Archipoeta u. a. zugewiesen werden, manche andere lassen sich in
Gruppen zusammenfassen. Die Parallelüberbelieferung
einzelner Gedichte ist vor allem wichtig für die Herstellung des
originalen Textes; im Codex Buranus erscheinen die Gedichte vielfach in
recht verderbter Form. Für die Handschrift war offenbar weithin
Neumierung vorgeschen; durchgeführt ist sie nur bei relativ
wenigen Stücken und auch da erst nachträglich und
unvollständig.
E. Brunlhölzl
Die Produktion der Schallplatte Carmina Burana aus der
Originalhandschrift, 1965, (Teldec SAWT 9455-A) war der erste Versuch,
Zugang zu der musikalischen Originalfassung der mittelalterlichen
lateinischen Lyrik zu finden. Die Schallplatte hatte Erfolg und erhielt
Preise. Der Aufführungsstil zeigt deutlich den Einfluß der
spanisch-.arabischen Kultur auf die westeuropäische Musik der
damaligen Zeit. Heute, nach drei weiteren Jahren wissen-schaftlicher
und publizistischer Arbeit, dürfte die Bedeutung dieses Einflusses
als bestätigt gelten. Die vorliegende Aufnahme behält die
eingeschlagene Stil-Richtung bei; darüber hinaus aber wird ein
anderer wichtiger, oft vernachlässigter Aspekt der musikalischen
Aufführungspraxis im dreizehnten Jahrhundert berücksichtigt:
Die Unterschiedlichkeit der regionalen Stilarten. Das Manuskript
Carmina Burana ist ein sehr geeignetes Beispiel, weil es eine Sammlung
europäischer Lyrik überwiegend in lateinischer Sprache
enthält, die in der Handschrift vereinigt wurde, lange nachdem die
Gedichte selbst in ganz Europa Verbreitung gefunden hatten. Das
Repertoire war international, doch die Aufführungen hielten sich
an die regionalen Aufführungspraktiken. Es muß hervorgehoben
werden daß das Repertoire ursprünglich nicht den Anspruch
erhob über örtliche Grenzen hinaus Geltung zu finden (mit
wenigen Ausnahmen, wie z. B. CB. 47), dock wurde es auf ganz
natürliche Weise alsbald international bekannt. Unsere Quellen
für die Konkordanzen mit den Manuskript Carmina Burana sind
über mehrere Länder verbreitet, darunter England, Frankreich.
Deutschland, Italien und Spanien. Es liegt auf der Hand, daß eine
Aufführung im provinziellen Alpenkloster Benediktbeuern des
dreizehnten Jahrhundert erheblich anders ausgefallen ist, als die
Aufführung der gleichen Stücke in Cordoba oder Sevilla, den
großen Kulturzentren, wo eine christliche Minderheit neben der
sephardischen und einer dominierenden arabischen Kultur lebte. So kann
eine monophone Sequenz in St. Gallen als ritueller Choralgesang
aufgeführt worden sein; die Mönche sangen für sich
selbst und über sich, nahe dem Zentrum der christlichen Welt;
dasselbe Stück wurde in Badajoz, zum Sologesang geworden,
zur Botschaft an das gefährdete Randgebiet der christlichen
Einflußsphäre, wo die Gebildeten ihre Muttersprache noch
immer mit Hilfe des arabischen Alphabets schrieben. Die
unterschiedlichen regionalen Auf Führungsstile finden sich
größtenteils in musikalischen Quellen, in Kommentaren von
Reisenden und Werken on Theoretikern (vor allem Juan Gil's Ars musica,
die um 1254 in Zamora geschrieben wurde, zu der Zeit, als in Salamanca
der erste Lehrstuhl für Musik in Europa geschaffen wurde). Wir
sehen die regionalen Aufführungsstile als Ergebnis des
fremdartigen Einflusses in den jeweiligen Gebieten. In der
Frühzeit war Cordoba das wichtigste Kulturzentrum, später
wurde es Paris. Die Entfernung von diesen und anderen kulturellen
Mittelpunkten bestimmte weitgehend das Ausmaß des
künstlerischen Einflusses auf die einzelnen Gebiete. So konnte der
als „Provençal" bekannte Stil intakt bleiben, als
Verbindung zwischen dem arabischen Süden und dem
französischen Norden, England und Deutschland blieben
verhältnismäßig isoliert; Spanien und Italien dagegen
unterlagen einem ständigen Wechsel kultureller Einflüsse.
Zwei Gegensätze zeichneten sich ab: Der überlieferte Stil,
wie er in den verschiedenem Landschaften herkömmlich war, und der
neu hinzukommende arabische Stil - sowohl in der Form, wie er vor dem
neunten Jahrhundert eingeführt wurde, als auch in der Form, die
sich in Europa während der folgenden Jahrhunderte entwickelte. Die
klassische Form des späten andalusischen Stiles findet sich im
Bergriff der nuba; zu einer vollständigen Aufführung
gehörten mehrere Teile - eine freirhythmische
Instrumentalimprovisation, worauf eine rhythmische Improvisation
folgte, dann erst setzte der Gesang ein (nachdem die Aufmerksamkeit der
Zuhörer geweckt war), dann ein Rhythmuswechsel mit weiterer
Instrumentalmusik, dann wieder Gesang, und so weiter, bis zum
Schluß (Ecce gratum). Diesem Stil entgegengesetzt war der
einfache, weniger on Stilregeln eingeengte begleitete Gesang der
germanischen Länder (Dum iuventus floruit).
Über die Übertragungen, Instrumente und die Begleitung haben
wir bereits an anderer Stelle geschrieben; der interessierte Leser sei
ergänzend auf weitere Schallplattenaufnahmen hingewiesen:
Carmina Burana (I), SAWT 9455-A.
Weltliche Musik um 1300, SAWT 9504-A
Minnesang und Spruchdichtung. SAWT 9487-A
Thomas Binkley
Teldec "Das Alte Werk" 8.44 012 ZS