Auf Sankt Jakobs Strassen
Schola Cantorum St. Foillan, Aaachen · Ensemble für alte Musik, Köln
Musik der Pilgerfahrt nach Santiago Compostela
medieval.org
1990: Da Camera Magna CD 5021
1997: Bayer BR 100 290 CD
1. „Polorum regina" [3:12]
LV 7
ballo rodo, aus: Llibre Vermell · anonym, Spanien 14. Jh.
Schola — Portativ HGB, Schalmei KW, Drehleier UC, Trumscheit DK, Glocken LL, Triangel BN
2. „Wer das Elend bauen will" [1:11]
Pilgerlied · anonym, Deutschland 15./16. Jh.
Schola — Portativ HGB, Fidel DK, Dudelsack LL, Altpommer BN, Tenorpommer KW
3. „Wer das Elend bauen will" [2:10]
Jobst vom Brant (1517-1570), aus: G. Forster, Ein Auszug ... teutscher Liedlein, der fünfte Tiled, 1556
Schola — Portativ HGB, Schalmei LL, Altpommer BN, Tenorpommern KW, Baßpommer UC
4. La Quarte Estampie Royal [2:23]
aus: Hs. Paris fr. 844 · anonym, Frankreich 14.Jh.
Schola — Portativ HGB, Harfe DK, Fidel LL, Blockflöten BN KW, Trommel UC
5. Ave regina coelorum [2:18]
Guillaume Dufay (1400-1474)
Schola
6. „Vox nostra resonet" [2:41]
cc 102
Magister Johannes Legalis · aus: Codex Calixtinus f 187 v, Spanien 12. Jh.
a) Vorspiel und Zwischenteil: Fidel DK, Blockflöte KW
b) Lied: Schola — Portativ HGB, Organistrum UC LL, Fidel DK
7. „S'on me regarde" [1:38]
Motet aus: Codex 196 von Montpellier · anonym, Frankreich 13.Jh.
Harfe DK, Schalmeien LL BN KW
8. Ave Maria [3:54]
Giovanni di Palestrina (1525-1594)
Schola
9. Nos Ergo Labiles [1:44]
Marien-Sequenz, aus: Brit. Museum Ms. Arundel 248 · anonym, England 14.Jh.
Harfe HGB, Laute DK, Psalterium LL, Gemshörner UC BN KW
10. „Kyrie" und Tropus „Rex immense" [2:35]
cc 89
Fulbertus Episcopus Kartonensis · aus: Codex Calixtinus, Spanien 12. Jh.
Choral: Schola · Tropus: Schola Altpommer BN
11. La Gamba [2:45]
Vincenzo Ruffo (um 1505-1587), aus: Capricci in Musica, 1564
Barockvioline HGB, Armviole DK, Gambe LL
12. Agnus Dei [3:08]
Vincenzo Ruffo (um 1505-1587)
Schola
13. „Dum pater familias" [4:35]
cc 117
Hymnus de St. Jacobo aus: Codex Calixtinus f 193 r · anonym, Spanien 12. Jh.
Schola — Drehleier
ab „Herru Sanctiagu": Schola — Portativ HGB, Blockflöte KW, Ruschpfeife LL, Altpommer BN, Triangle UC
14. Gratulantes celebremus [4:09]
cc 97
aus: Codex Calixtinus f 185 v · anonym, Spanien 12. Jh.
Drehleier HGB, Harfe DK, Fidel LL, Blockflöte KW, Querflöte BN
15. Apostole Christi Jacobe [1:58]
Christobal Morales (1500-1553)
Schola — Altkrummhörner DK KW, Tenorkrummhorn UC, Baßkrummhorn BN
16. „Angelus ad virginem" [2:50]
aus: Mss. London und Dublin · anonym, England 13.Jh.
A: Schola — Portativ HGB, Drehleier DK
B: Altpommern LL BN, Tenorpommer KW
C: Schola — Portativ HGB, Altpommern LL BN, Tenorpommer KW
17. Suite [7:45]
Pavana „La Traditora" – Altpommer BN, Tenorpommern DK KW, Baßpommer UC
Gagliarda „La Traditora" – Altpommer BN, Tenorpommern DK KW, Baßpommer UC
Gagliarda „Su l'herba frescha" – Barockvioline HGB, Gambe LL, Tenordulcian KW, Baßdulcian BN
Saltarello „Zorzi" – Tenorkrummhorn KW, Baßkrummhörner LL BN, Großbaßkrummhorn HGB
Saltarello „La comarina" – Ruschpfeife, Blockflöten
18. O sacrum convivium [3:32]
Ludovico da Vittoria (1545-1610)
Schola
19. Haec dies [2:15]
Jacobus Gallus (1550-1591)
Schola — Schalmei LL, Altpommer BN, Tenorpommer KW, Baßpommer UC
CH2: Schola — Großbaßrankett HGB, Fidel DK
20. „Quand nous pelerins" [3:51]
La grande chanson de pelerines · anonym, Frankreich 16./17.Jh.
Vorspiel: Gemshorn HGB
Lied: Schola — Gemshorn HGB
Schola Cantorum St. Foillan, Aaachen
ODHECATON Ensemble fü alte Musik Köln
Hans Georg Büchel (HGB)
Portativ, Harfe, Drehleier, Barockvioline,
Großbaßkrummhorn, Großbaßrankett, Gemshorn
Ulrich Cox (UC)
Drehleier, Organistrum, Fidel, Gemshorn, Tenorkrummhorn, Tenorpommer, Baßpommer, Trommel, Triangel
Dieter Klöckner (DK)
Harfe, Laute, Fidel, Armviole, Trumscheit, Drehleier, Altkrummhorn, Tenorpommer
Ludolf Lützen (LL)
Psalterium, Gambe, Fidel, Organistrum, Dudelsack,
Raushpfeife, Schalmei, Baßkrummhorn, Altpommer, Glocken
Berthold Neumann (BN)
Gambe, Blockflöte, Querflöte,
Gemshorn, Schalmei, Baßdulcian, Baßkrummhorn, Altpommer, Triangel
Kaat Weyler (KW)
Blockflöte, Gemshorn, Schalmei, Altkrummhorn, Tenorkrummhorn, Tenorpommer, Tenordulcian
Leitung: Willi Eschweiler
Abb. Titelseite: Christus als Jacobspilger in Emmaus
Kloster Santo Domingo (Silos), Provinz Burgos
Relief am Eckpfeiler des Kreuzgangs
DDD BR 100 290
Impressum
Digitalaufnahme im Herbst 1990 im Tonstudio van Geest, Sandhausen
Aufnahme: Günther Appenheimer
Digitalschnitt: Rini Nagaosa
Produktion: Rudolf Bayer
Reproduktion und Satz: Melchior Hermann
Herstellung: SONY-DADC, Anif bei Salzburg
Bezugsquellennachweise:
Bayer-Records, D-74321 Bietigheim-Bissingen
© Rudolf Bayer Ⓟ 1997
AUF SANKT JAKOBS STRASSEN
Die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela in Geschichte und Gegenwart
"Und
sogleich sah er (Karl der Große) am Himmel einen Sternenweg, der am
friesischen Meer begann, sich zwischen Germanien und Italien, zwischen
Gallien und Aquitanien erstreckte, über Gasconien und Navarra und
Spanien direkt nach Galicien führte, wo der Leichnam des hl. Jakobus zu
jener Zeit im Verborgenen lag" (Liber Sancti Jacobi, Codex Calixtinus, 12. Jh.).
Ans
Licht kamen die sterblichen Überreste Jakobus des Älteren, der als
erster Apostel in Jerusalem den Märtyrertod starb, als in der ersten
Hälfte des 9. Jahrhunderts in Galicien im Nordwesten Spaniens sein
angebliches Grab auf diese wundersame Weise gefunden wurde.
In
der Folgezeit entwickelte sich die Pilgerfahrt nach Santiago de
Compostela, nicht zuletzt in Verbindung mit der christlichen
Wiedereroberung Spaniens, zu einem gesamteuropäischen Phänomen. Pilger
aus allen Ständen und Völkern Europas machten sich auf zum Apostelgrab.
In der Blütezeit Santiago de Compostelas, als die Stadt neben Jerusalem
und Rom das dritte bedeutende Pilgerzentrum der Christenheit wurde,
waren Hunderttausende auf den Wegen, die sich quer durch Europa bis ans
Ende der damals bekannten Welt zogen. "Pilger im eigentlichen Sinn ist
nur derjenige, der das Haus des hl. Jakobus aufsucht oder von dort
zurückkehrt" schrieb Dante im Jahr 1293.
Die "jacquaires", wie
sie in Frankreich genannt wurden, kamen aus Skandinavien, Deutschland,
Polen, Ungarn und anderen zentraleuropäischen Ländern, aus Italien,
Britannien, dem Baltikum und den Niederlanden. In Frankreich mündeten
ihre Wege in vier Hauptrouten. Von Paris, Vézelay und Le Puy aus trafen
drei Pilgerstraßen in Ostabat zusammen und führten über Roncesvalles in
den Nordwesten Spaniens. Die vierte Straße ging von Arles aus über den
Somport-Paß und Jaca nach Puente la Reina in Navarra, wo sie sich mit
der Straße von Roncesvalles zum "iter francorum", dem "Weg der Franken"
vereinigte.
Zu Fuß waren die meisten Jakobspilger unterwegs. Nur
wer es sich leisten konnte, reiste zu Pferd, und wer eine günstige
Schiffspassage vom Nord- oder Ostseeraum aus nutzen konnte, segelte nach
Bordeaux oder La Coruña. Sie pilgerten aus freien Stücken oder um den
letzten Willen eines Verstorbenen zu dessen Seelenheil zu erfüllen; weil
sie die Pilgerfahrt gelobt hatten oder weil sie im Rechtssystem des
Mittelalters dazu verurteilt worden waren.
Mit der Jakobsmuschel
als Pilgerzeichen am "breiten Hut" oder an der "Pelerine" zogen sie
dahin; "Sack und Stab" waren ebenso dabei wie "ein Schüssel bei der
Flaschen". Doch nicht nur diese armselige Habe der Pilger wurde auf den
Wegen nach Santiago de Compostela transportiert. Auch Kultur und Handel
verbreiteten sich, neben Frömmigkeit und Spiritualität, entlang der
Pilgerstraßen, an denen Städte, Klöster, Kirchen, Herbergen und Brücken
entstanden. So wuchs ein Verkehrs- und Versorgungssystem, dessen Spuren,
zumal in Frankreich und Spanien, unübersehbar sind.
Die
Entwicklung der romanischen und gotischen Architektur läßt sich noch
heute auf den Pilgerwegen nach Santiago de Compostela nachvollziehen.
Desgleichen inspirierte die Pilgerbewegung Kunst, Literatur und Musik
vom 12. Jahrhundert bis zur Renaissance und trug wesentlich zum
kulturellen Gesamterbe Europas bei.
Musik und Gesang der
Pilgerfahrt kamen in der Liturgie, bei Hofe und in den Herbergen am Wege
zur Aufführung. Weltliche Lieder erzählten von mutigem Aufbruch und
glücklicher Ankunft, von Fährnissen und Freuden, von fremden Völkern und
Landschaften. Sie verbreiteten, als "Reiseführer" gestaltet, neben
Kenntnissen auch Bewertungen und Vorurteile. Das wundersame Wirken des
hl. Jakobus, aber auch die Schandtaten betrügerischer Wirte gaben Stoff
für viele Strophen.
Mit dem Fall Granadas, der den Schlußpunkt
der Wiedereroberung Spaniens setzte, mit der gleichzeitigen Entdeckung
neuer Welten, vollends mit der Reformation war der Rückgang der
Santiago-Pilgerfahrt, der bereits im 15. Jahrhundert eingesetzt hatte,
unausweichlich.
Heutzutage gewinnt die Pilgerfahrt nach Santiago
de Compostela eine neue, bemerkenswerte Anziehungskraft. Sei es, weil
das Zusammenwachsen Europas dazu herausfordert, sich der gemeinsamen
historischen und kulturellen Wurzeln zu vergewissern; sei es, weil
religiöse Suche vor allem junge Menschen hinausdrängt in Fernen, in
Ungesichertheit und in das Erlebnis von Weg und Ziel. Für die sowohl
kulturelle als auch religiöse Neubelebung der Santiago-Pilgerfahrt geben
zwei Ereignisse der letzten Jahre beredtes Zeugnis.
Im Oktober
1987 erklärte der Europarat die Wege der Jakobspilger zu europäischen
Kulturstraßen. Erstmalig wurde nicht nur ein einzelnes Bauwerk, sondern
ein viele tausend Kilometer umfassendes Wegenetz als europäisches
Kulturgut ausgezeichnet. Die neue religiöse Dimension der Pilgerfahrt
wurde deutlich, als im August 1989 eine halbe Million Jugendliche beim
IV. Welttag der Jugend mit Papst Johannes Paul II. in Santiago de
Compostela zusammentrafen. Nun pilgern sie wieder, Einzelne und Gruppen,
zu Fuß und per Rad. Die Zahl derer, die mit PKW oder Bus, auf eigene
Faust oder mit Reiseveranstaltern entlang der Pilgerwege in Frankreich
und Spanien fahren, wächst von Jahr zu Jahr.
Da nimmt es nicht
wunder, wenn auch Sänger und Musiker sich solcher Anziehungskraft nicht
entziehen können und sich auf eine musikalische Pilgerreise entlang des
Jakobsweges in Spanien begeben. Die SCHOLA CANTORUM ST. FOILLAN, Aachen,
und das Ensemble für alte Musik ODHECATON, Köln, waren im Frühjahr 1989
auf dem "Camino de Santiago" unterwegs. Ihre Konzerte in Pamplona,
Astrain, Burgos, León, Santiago de Compostela, Oviedo und San Sebastián
fanden in vollbesetzten Kirchen und Konzertsälen begeisterte Zuhörer.
Das Erlebnis des Weges und seiner Stationen, die Begegnung mit Zeugen
der Geschichte wie mit Menschen, die sich in unseren Tagen der Tradition
der Santiago-Pilgerfahrt verpflichtet wissen - alle diese Erfahrungen
haben den Entschluß mitbestimmt, die hier vorgelegte Einspielung zu
produzieren. Möge sie dazu beitragen, ein Jahrhunderte altes Erbe ins
nächste Jahrtausend hinüberzuretten. Der Aufbau des "europäischen
Hauses", die Sicherung von Frieden und Gerechtigkeit weltweit sowie die
Bewahrung der Schöpfung auf unserem Planeten sind Aufgaben, die des
hoffnungsvollen Zuspruchs bedürfen, der im alten Ruf der Jakobspilger
zum Ausdruck kommt:
"E ULTREIA! E SUS EIA! DEUS AIA NOS!"
('WEITER! AUF GEHT'S! GOTT STEH UNS BEI!")
Heinrich-K. Bahnen (Sekretär der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft)
Die
1987 gegründete Deutsche St. Jakohus-Gesellschaft e. V. (Harscampstr.
20, 52062 Aachen Tel. 0241-4790-127) hat sich die Förderung der
Santiago-Pilgerfahrt durch Forschung und Dokumentation, durch
Information und Beratung, durch europäische Zusammenarbeit und Pflege
des kulturellen Erbes zum Ziel gesetzt.
Hinweise zu den Werken der CD
Der
Codex Calixtinus zeigt durch die Aufnahme mehrstimmiger Musik, daß die
Gottesdienste in Santiago sehr festlich und musikalisch reichhaltig
gestaltet wurden. Und auch heute noch erklingt beim Schwingen des
bottifumaro brausendes Orgelspiel. Aber nicht nur in den Kirchen und
beim Gottesdienst erklang Musik, sondern auch in den Schenken, Hospizen
und auf den Straßen wurde Musik von den Spielleuten aus aller Herren
Länder gemacht. Man lauschte den Erzählungen von überstandenen Gefahren
aber auch von Wundern des Hl. Jacobus. Die Spielleute und Joculatores
spielten abends zum Tanz auf, wobei sie Melodien aus ganz Europa zu
Gehör brachten. Einige bewiesen ihre Kunst auch in den Gottesdiensten.
Polorum regina:
Das Libre Vermell liegt im Kloster Montserrat. Dieses Pilgerlied ist
bezeichnet als "ballo rodò" wegen der Wiederholungen der zweiten Hälfte
der Melodie mit dem Refrain. Die sehr eingängige Melodie war wohl sehr
bekannt, denn im Tractat "De musica liber septem" (Salamanca 1577) des
Francesco de Salinas wird sie abgedruckt mit einem weltlichen
Villancico-Text "Yo me iba, mi madre"
La Quarte Estampie:
Unter ESTAMPIE wird ein instrumentales Vortragsstück verstanden, zu dem
nur gelegentlich auch getanzt wurde. Es ist nach dem Prinzip der
"fortschreitenden Repetition" aus mehreren Strophen - den puncti -
aufgebaut, die jede aus zwei Teilen bestehen, die am Anfang gleich und
am Schluß verschieden sind. (So beschrieben von Johann Grocheo in Paris
um 1300.)
CODEX CALIXTINUS: Im ersten Teil und im Anhang
dieses Pilgerbuches sind viele Melodien aufgezeichnet, die in Santiago
gesungen wurden. Zum einen handelt es sich um einstimmige
"gregorianische" Melodien der Jacobsliturgie, die in
zentral-französischen Punktneumen und im Falle des "Dum pater familias"
in aquitanischen linienlosen Neumen notiert sind; die zweistimmigen
Stücke im Anhang sind die früheste Quelle solcher Kompositionen auf der
iberischen Halbinsel. Hier werden manchmal auch die Verfasser genannt.
Die
Notation gibt der damaligen Zeit entsprechend nur die Tonhöhe, nicht
die exakten Notenwerte wieder; man kann nur genau sagen, wieviel Noten
der hinzu-komponierten Stimme einer Note der Choralmelodie entsprechen.
Daher gibt es verschiedene Möglichkeiten der Rhythmisierung, so daß die
hier vorgestellte Version nicht die einzig mögliche ist. Es ist aber
überraschend, wie volkstümlich viele Melodien des Codex Calixtinus
klingen; hier zeigt sich der Einfluß der Pilger aus aller Herren Länder.
Die
zweistimmigen Kompositionen sind zwar alle im Original textiert, doch
kommt der fast virtuose Charakter der hinzukomponierten Stimmen
besonders deutlich bei einer instrumentalen Aufführung zur Geltung.
(vergl. das "Gratulantes"),
Im Jacobus-Hymnus "Dum pater familias"
(f 193 r) ist der Einfluß fremdsprachiger Pilger besonders deutlich,
wenn die Worte "herru santiagu" und und der Pilgerruf "Ultreia!"
erklingen. In der hier gesungenen - gekürzten - Version wird dieser Ruf,
der im Original nur in der zweiten Strophe steht, am Ende jeder Strophe
gesungen. Die Instrumentierung unterstreicht die Besonderheit dieser
Zeile und bezieht sich auf Berichte, wonach dieser Melodieteil immer
besonders klangvoll und beeindruckend aufgeführt wurde.
MOTET:
Auch dieses Tanzlied ist textiert überliefert ('Son me regarde / Prenes
i garde"), doch gehört es seiner ganzen musikalischen Anlage nach in
die Welt des Spielmanns. Damit liegt eine rein instrumentale Ausführung
nahe. Die beiden Oberstimmen spielen schnelle Figuren, die rondeau-artig
und sich gegenseitig imitierend geführt sind, während die nur mit einer
Textmarke gekennzeichnete ruhigere Unterstimme ("He mi enfant") das
harmonische Gerüst gibt.
NOS ERGO LABILES: Dieses Stück
zeigt in seiner parallelen Anlage der drei Stimmen und den vielen
Sextakkorden die englische Kompositionstechnik des 14. Jahrhunderts. Die
Ausführung mit drei Gemshörnern und drei Zupfinstrumenten betont den
verhaltenen, fast tänzerischen Charakter dieser Marien-Sequenz.
Vincenzo Ruffo LA GAMBA:
Neben seinen vielen geistlichen Kompositionen - den ausdrücklich "nach
den Richtlinien des Tridentiner Konzils komponierten" Motetten und
Messen - schrieb der am päpstlichen Hof hochgeachtete Mailänder
Domkapellmeister auch weltliche Werke und gab 1564 eine Sammlung
dreistimmiger Instrumentalstücke unter dem Titel "Capricci in Musica"
heraus. In dem sehr virtuos geführten Stück "La Gamba" verwendet Ruffo
eine bekannte Tanzmelodie, die einmal in der Unter- dann in der
Oberstimme erklingt. Besonders auffallend sind die rhythmischen
Verschiebungen in und zwischen den Stimmen.
Suite italienischer Tänze:
Von seiner Reise nach Italien brachte 1560 Henry Fitzallan, 18. Earl
von Arundel, Stimmbücher vierstimmiger italienischer Tänze mit nach
England. Viele dieser Tänze finden sich auch in der Sammlung "Viel
feiner lieblicher Stucklein" (Breslau 1555) von P. und B. Hessen, so daß
es sich hier um sehr bekannte Tänze handelt, wie auch Konkordanzen zu
anderen Ausgaben der Zeit belegen.
ANGELUS AD VIRGINEM: In
den Canterbury-Tales von Geoffrey Chaucer, in denen sich Pilger ihren
Wallfahrtsweg mit dem Erzählen von Geschichten verkürzen, wird dieses
Lied erwähnt.