Ave meres sterne / La Mouvance
Deutsche Weihnachtsmusik des Mittelalters





medieval.org
lamouvance.de
zweitausendeins.de
Zweitausendeins Edition 699022

2013












1. Puer natus est nobis  [3:24]  Anonym  [SE]

2. Freu dich, durchleuchtig junckfrau zart  [4:30]
Oswald von WOLKENSTEIN (1377-1445)  [WolkB]

3. Sunder riuwe and âne twanc  [2:30]
Karen Marit Ehlig Stantipes nach einer Trobadormelodie des 13. Jahrhunderts

4. Christus natus est hodie à 2  [2:52]
Johannes ROULLET (fl. c. 1435 -1445)  [SE] — Diminutionen: Marc Lewon

5. Wer ist, die da durchleuchtet  [5:18]
Oswald von WOLKENSTEIN  [WolkB]

6. Rorate celi desuper et nubes pluant  [3:26]  Anonym  [Bux]

7. Puer natus in betleem  [1:48]  Anonym  [UB]

8. Von dem angell der sun auffgang  [3:46]  Anonym  [WB]

9. Christus natus est hodie à 3  [1:29]
Johannes ROULLET  [SE]

10. Maria, keusche muter zart  [12:55]
Der Mönch von SALZBURG (fl. c. 1350 - c.1396)  [MW]

11. Dies est leticie  [1:27]  Anonym  [AK]

12. Christus natus est hodie  [1:37]
Johannes ROULLET  [SE] — Intavolierung: Karen Marit Ehlig

13. Ave pulcherrima regina  [3:41]  Anonym  [RL]

14. Dies est Leticie Jn ortu regali  [1:36]  Anonym  [Bux]

15. In Suria ain braiten hal  [4:48]  Oswald von WOLKENSTEIN  [WolkB]

16. Ave meres sterne  [3:24]
Der Mönch von SALZBURG  [MW]

17. Puer nobis nascitur  [1:44]  Anonym  [MG]









La Mouvance

Christine Mothes — Gesang
Karen Marit Ehlig — Vielle
Gäste:
Marc Lewon — Laute, Quinterne, Vielle
Ulrike Wolf — Traversflöte


In intimer Besetzung zeigt La Mouvance die Vielseitigkeit Früher Musik. „Mouvance" steht für das Wechselspiel zwischen mündlicher und schriftlicher Überlieferung von Text und Musik. Dies förderte die Entstehung zahlreicher Varianten eines einzigen Stückes. Mit Kenntnis der Handschriften und Quellen gelingt es dem Ensemble, das mittelalterliche Repertoire auf eigene Weise lebendig und geistreich zu interpretieren.

Christine Mothes (Gesang), Nelly Sturm (Blockflöte) und Karen Marit Ehlig (Fidel) haben sich als Trio im Jahr 2009 zusammengefunden und konzertieren in aktuellen Projekten mit weiteren Gastmusikern. Neue Impulse erhielten die Musikerinnen durch Spezialisten auf dem Gebiet mittelalterlicher Musik, wie Kees Boeke, Jill Feldmann, Pierre Hamon, Uri Smilansky, Marc Lewon und Benjamin Bagby. Im Rahmen der International Young Artist's Presentation, Antwerpen 2010, wurde dern Ensemble der Titel „IYAP Selected Promising Ensemble 2010" verliehen. Seitdem ist La Mouvance auf zahlreichen internationalen Festivals, wie dem Festival Oude Muziek Utrecht 2010, dem Festival Mazovia goes baroque







Tonaufnahme/Schnitt: Benjamin Dreßler.
Texte, Übersetzungen: La Mouvance, Marc Lewon, Thomas Herbst.
Aufnahmen: 09.2013, Kunigundenkirche Borna/Sachsen.
© Titelbild: www.fotosearch.de © Fotos: Thomas Mothes



Quellen:
[SE] München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14274 (Codex St. Emmeram)
[WolkB] Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek, Cod. ohne Sign. (Wolkenstein-Handschrift B)
[Bux] München, Bayerische Staatsbibliothek, Hs mus. 3725 (Buxheimer Orgelbuch)
[UB] Utrecht, Universiteitsbibliotheek, ms. 16 H 34
[WB] Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3079
[MW] Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2856 (Mondsee-Wiener Liederhandschrift)
[AK] Berlin, Stciatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, ms. germ. oct. 280 (Liederbuch der Anna von Köln)
[RL] Rostock, Universitätsbibliothek, Mss. phil. 100/2 (Rostocker Liederbuch)
[MG] München, Universitätsbibliothek, Cod. ms. 156 (Moosburger Graduale)







Diese Einspielung widmet sich der VVeihnachtsbotschaft in ihrem ursprünglichen Sinn: der Menschwerdung Jesu Christi und ihrer musikalischen Darstellung im deutschsprachigen Raum in der Zeit des späten Mittelalters. Das Mysterium der jungfräulichen Geburt ist Anlass, Maria - neben dem klassischen Sujet des Kindelwiegens - in zahlreichen Kompositionen zu preisen und in Dankbarkeit zu verehren.

Im 14. und 15. Jahrhundert wurden dafür vielfältige Formen gefunden. Hymnen, Motetten, Tropen und geistliche Minnelieder sind in Handschriften ebenso überliefert, wie Intavolierungen bekannter Antiphone zur Advents- und Weihnachtszeit. Die berühmte Mondsee-Wiener Liederhandschrift enthält einen großen Teil des geistlichen Liedschaffens des anonym gebliebenen Mönchs von Salzburg in Form volkssprachlicher frühneuhochdeutscher Gesänge, von denen anzunehmen ist, dass sie auch ein fester Bestandteil der kirchlichen Liturgie waren, wie die Hymnen des Codex 3079 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Diese Handschrift ist eines der raren notierten Zeugnisse für die Verwendung der deutschen Sprache in der vor-reformatorischen Liturgie. Daraus, dass sie vermutlich den Laienschwestern des Büßerinnenklosters in Wien zugedacht war, die des Lateinischen nicht mächtig und in der Praxis des Gregorianischen Chorals wenig geübt waren - in den Rubriken wird eine Cantorin (singerin) erwähnt - erklärt sich, weshalb die Hymnen ungereimt und wörtlich ins Deutsche übertragen sowie die Melodien aller Verse ausnotiert sind. Im Gegensatz dazu sind die zwei erhaltenen Weihnachtslieder des Oswald von Wolkenstein seine Kontrafakturen eigener Melodien, die er dem neuen Text so anpasste, dass etwa die Melodie des geistlichen Minneliedes Freu dich, durchieuchtig junckfrau zart „senza repetizione" auszuführen ist.

Der Codex St. Emrneram ist die wohl wichtigste erhaltene Quelle zur Überlieferung mehrstimmiger Musik des 15. Jahrhunderts. Dieser Mensuralcodex wurde von Hermann Pötzlinger in Wien zwischen 1430 und 1444 in verschiedenen Notationsarten angelegt und vermutlich bis 1450 durch weitere Schreiber ergänzt. Hier finden sich bekannte Komponisten wie Guillaume Dufay, Gilles Binchois und John Dunstable neben regionalen Größen (Hermannus Edlerawer, Urbanus Kungsperger u.a.). Zu Johannes Roullet fehlt fast jegliche Überlieferung, bemerkenswert ist jedoch, dass seine Motette Christus natus est hodie in dieser Handschrift gleich in zwei Versionen enthalten ist. Die untextierte zweistimmige Fassung war für diese Aufnahme Inspiration, die Komposition durch Diminutionen im Stil des Buxheimer Orgelbuchs zu erweitern. Diese bedeutende, um 1460/70 entstandene Handschrift mit Originalkompositionen und Bearbeitungen für Tasteninstrumente wird dem Kreis um Conrad Paumann zugeschrieben. Paumann wirkte von 1450 bis 1473 als Hoforganist in München, sein epochales Orgellehrwerk Fundamentum Organisandi, eine Sammlung von Beispielen zur Improvisation, ist im Buxheimer Orgelbuch und im Lochamer-Liederbuch erhalten. Darin finden sich zahlreiche Intavolierungen weltlicher Chansons, Lieder und liturgischer Stücke, auch die Antiphon Rorate celi desuper et nubes pluant und der Hymnus Dies est Leticie Jn ortu regali.

Ergänzt sind diese bereits ambitioniert mehrstimmigen Kompositionen durch einstimmige Gesänge, die sich im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts von Deventer aus - als musikalischer Ausdruck der als Devotio moderna bezeichneten religiösen Erneuerungsbewegung freier Bruder- und Schwesterngemeinschaften - über ganz Norddeutschland verbreiteten. Zu finden sind sie im Liederbuch der Anna von Köln und in der Utrechter Handschrift 16 H 34.