Wartburg
Geschichte und Bedeutung der Wartburg · Minnelieder
Capella Lipsiensis





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A
Geschichte und Bedeutung der Wartburg


Text: Helga Hoffmann
Sprecher: Dieter Bisetzki




B
Lieder und Gedichte des hohen Mittelalters


Gedichte von Walther von der Vogelweide
Musik nach Weisen von Walther von der Vogelweide, Oswald von Wolkenstein und Hermann von Salzburg


Walther von der VOGELWEIDE
1 - Ich saz uf eime steine   [1:52]
2 - Palästinalied   [4:17]
3 - Der in den oren siech von ungesühte si   [1:04]
4 - Unter der linden   [3:17]


Oswald von WOLKENSTEIN
5 - Ich klag ain Engel   [1:32]


Walther von der VOGELWEIDE
6 - Muget ihr schouwen waz dem meien   [0:57]


Hermann (MÖNCH) von SALZBURG
7 - Dy trumpet   [2:22]


Walther von der VOGELWEIDE
8 - Mir hat her Gerhart Atze...   [0:54]


Oswald von WOLKENSTEIN
9 - Nu huss!   [1:38]











Hans-Peter Minetti · Sprecher (B/1, 3, 4, 6, 8)



Capella Lipsiensis (B/2, 4, 5, 7, 9)
Dietrich Knothe

Roswitha Trexler · Sopran
Hans-Joachim Rotzsch · Tenor
Wolf Reinhard · Tenor
Hermann-Christian Polster · Baß










Lieder und Gedichte des hohen Mittelalters


In verschiedenen, teilweise den schönsten illuminierten mittelalterlichen Handschriften ist die bekannte Sage vom Sängerkrieg auf der Wartburg verzeichnet. Auch wenn sich ein derartiges Geschehen niemals in der überlieferten Form abgespielt haben mag, spiegelt sich in dieser Legende doch die überragende Bedeutung des Thüringer Landgrafenhofes in der Zeit Hermanns I. (1190-1217) als eines bedeutenden Zentrums mittelalterlicher deutscher Dichtung wider.

Hermann hatte während seines Aufenthaltes in Paris, dem kulturellen Mittelpunkt der damaligen Welt, die Lieder der französischen Trouvères kennengelernt, jene Musik und nationalsprachliche Dichtung vereinende Kunst, die nach dem Vorbild der provencalischen Trobadors auch gleichzeitig im deutschsprachigen Gebiet als Minnesang zu einer ersten Blüte deutscher weltlicher Dichtung führte. Neben dieser für die ritterlich-höfische Welt typischen Dichtungsform, die u. a. nach dem Vorbild des christlichen Marienkultes die Frau von hohem Stande besingt, wurden in zahlreichen großen Versepen Sujets der griechischen und römischen Antike und der mittelalterlichen Heldensage verarbeitet.

Durch Epiker wie Heinrich von Veldeke, Wolfram von Eschenbach und andere, die sich mehrfach am Thüringer Landgrafenhofe aufgehalten haben, ist die Wartburg aufs engste mit diesen Anfängen der deutschen Nationalliteratur verknüpft, vor allem aber durch Walther von der Vogelweide. Nicht nur durch seine aktuell-politische Dichtung, in der sich zum ersten Male deutsches Nationalgefühl ausspricht, sondern auch durch seine gefühlstiefe volkstümliche Minnelyrik, mit der er den engen Rahmen der höfischen Standesdichtung durchbrach, überragte er die anderen Dichter seiner Zeit.

Während sich im fortgeschritteneren Frankreich parallel mit der Kathedralbaukunst auf musikalischem Gebiet bereits die Mehrstimmigkeit entfaltete, vertreten in der Pariser Notre-Dame-Schule durch die Meister Leonin und Perotin um 1200 - eine der größten und weitreichendsten Leistungen der europäischen Musikgeschichte -, trugen die Minnesänger ihre Dichtungen zunächst noch einstimmig vor. Leider sind die Melodien nur in wenigen Fällen überliefert, und ihre Notation läßt eine eindeutige Übertragung nicht zu. Die Begleitung des Sängers übernahm meist ein Gehilfe, der "menstrel" (Ministeriale), vor allem mit der Schoßharfe und dem Psalterium, einem zitherähnlichen Instrument, denen sich dann die Fidel oder Vielle (die spätere Viola) hinzugesellte. Verschiedene Blasinstrumente - Flöten, Schalmeien und Posaunen in verschiedenen Stimmlagen - sowie abgestimmte Glöckchen und Schlaginstrumente ergänzten das reichhaltige Instrumentarium.

Einen Einblick in die mittelhochdeutsche Dichtung und den Versuch einer Rekonstruktion des Klangbildes der Musik aus der Zeit von 1200 bis zum ausklingenden Minnesang um 1440 gibt die vorliegende Auswahl von Gedichten und Minneliedern.

In seinem Gedicht "Ich saz uf eime steine" klagt Walther von der Vogelweide über eine Welt, in der Friede und Recht mit Füßen getreten werden und als Folge der Machtkämpfe nach dem Tode Heinrichs VI. (1197) Aufruhr und Gesetzlosigkeit herrschen. Die drei dem Mittelalter wichtigsten Güter - ,ere' und ,varnde guot', dazu ,gotes hulde' können nicht zusammenkommen, ehe nicht Friede und Recht gesunden. Das "Palästinalied" ist als einzige Dichtung Walthers mit einer Melodie überliefert, die in der sog. Barform mit Aufgesang und Abgesang, die später von den bürgerlichen Meistersingen übernommen wurde, verläuft. Das Lied bezieht sich wahrscheinlich auf den Kreuzzug Friedrichs II. im Jahre 1228. Ohne selbst daran teilgenommen zu haben, spricht der Dichter von dem tiefen Eindruck, den der Besuch des Heiligen Landes sicher bei vielen Rittern hinterlassen hat.

Scherzhaft-kritische Worte über das turbulente Treiben am Thüringer Landgrafenhofe findet Walther in dem Gedicht "Der in den oren siech von ungesühte si". Dagegen steht der innige, volksliedhafte Ton seines wohl schönsten Liebesgedichtes "Under der linden", das im Gegensatz zur Hohen Minne die Liebe zu einem Mädchen aus dem Volke besingt. Der Tiroler Oswald von Wolkenstein (1377-1445) gehörte zu den letzten Vertretern des im bürgerlichen Meistergesang bereits erstarrenden Minnesangs. Auf abenteuerlichen Fahrten gelangte er bis nach Rußland und Persien. In Italien und Frankreich hatte er die neue Kunst der Mehrstimmigkeit (ars nova) kennengelernt, für die der dreistimmige Instrumentalsatz "Ich klag ain Engel", dem nur teilweise ein Text untergelegt ist, als Beispiel steht. Die drei Stimmen sind auf Diskantgambe, Laute und Tenorgambe verteilt.

Das frische lebendige Frühlingslied "Muget ir schouwen waz dem meien" von Walther von der Vogelweide preist das Erwachen der Natur, die Wunder des Frühlings, der auch die Menschen zu fröhlichem Leben erweckt. Eine tänzerische Melodie wird den Rhythmus des Liedes verdeutlicht haben.

Hermann von Salzburg, genannt ,der Mönch', lebte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts am Salzburger Erzbischöflichen Hofe. Seine zahlreichen realistisch-weltlichen Lieder gehören zu den ersten Beispielen mehrstimmiger Musik, so auch das Minnelied "Dy trumpet" aus der Mondsee-Handschrift. Der Satz wird eingeleitet durch einige Töne eines Stierhornes, das Horn des Wächters. Dann tragen die drei Stimmen gleichzeitig ihre Texte vor. Der Wächter, der die beiden Liebenden auf das Anbrechen des Tages aufmerksam macht, warnt sie vor der Scheelsucht der Neider.

Der folgende Spruch Walthers von der Vogelweide "Mir hat her Gerhart Atze..." schildert einen Rechtsstreit, den er mit einem (urkundlich erwähnten) Ritter Atze ausfechtet. Dieser habe ihm sein Reitpferd erschossen, und Walther verlangt Schadenersatz. Herr Atze aber weist die Klage zurück mit der Bemerkung, das Pferd Walthers sei einem "rosse" - einem Ackergaul - gleich gewesen, das ihm den Finger abgebissen und ihn damit in Unehre gebracht habe. Darin liegt der für Walther beleidigende Zweifel, daß er nicht zum Ritterstande gehöre. Er kämpft um sein Ansehen in der ritterlichen Gesellschaft.

Das einstimmig überlieferte Lied "Nu huss!" des Oswald von Wolkenstein (hier in einer Bearbeitung) gibt einen Eindruck von den dauernden ritterlichen Fehden und Händeln, in die die Brüder von Wolkenstein in Tirol maßgeblich verwickelt waren. Es behandelt die Belagerung der Burg Greifenstein, des Sitzes der Wolkensteiner, durch Herzog Friedrich im Jahre 1417 und ihre erfolgreiche Abwehr. Der marschartige Rhythmus unterstreicht den kämpferischen Charakter des Siegesliedes.









1967   |   Wartburg-Stiftung Eisenach - ETERNA SP U 369 / SP U 370 (LP)



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