1 - Johann DEGEN (1628): Laßt uns das Kindlein
wiegen [3:34]
Gesang, Sopranpommer, Alt-, Tenor-, Baßdulzian, Vasentrommel,
Klangstäbe
2 - Johann Sebastian BACH (1685-1750), Johann DEGEN: Puer natus in
Bethlehem [5:44]
Diskant-, Altgambe, 2 Baßgamben, Gesang
3 - Johann DEGEN: Der Tag, der ist so freudenreich
[0:55]
Sopran-, Alt-, Tenor-, Baßkrummhorn
4 - Andreas RASELIUS (um 1563-1602): Nun komm, der Heiden Heiland
[0:51]
Gesang
5 - Gilles BINCHOIS (um 1400-1460): Ut queant laxis
[2:30]
Platerspiel, Alt-, Großbaßkrummhorn, Knochenflöte, Tenor-,
Baßgemshorn, Glockenspiel
6 - Johann DEGEN: Ein große Freud verkünd' ich euch
[4:07]
Gesang, Renaissance-Sopran-, Alt-, Tenor-, Baßblockflöte,
Klangstäbe, Schellentrommel, Vasentrommel
7 - Dadme Albricias hyos Deua (Anonymus, Cancionero de Uppsala,
1556) [1:45]
Gesang
8 - Johann DEGEN: Dich grüßen wir, O Jesulein [3:22]
Gesang, Diskant-, Alt-, 2 Baßgamben, Klangstäbe
9 - William BYRD (1543-1632): Lullaby [5:09]
Countertenor, Altgambe, 3 Baßgamben
10 - Michael PRAETORIUS (1571-1623), Johann DEGEN: Es ist ein Roß
entsprungen [1:30]
Renaissance-Tenor-, Baß-, Großbaß-, Subbaßblockflöte,
Renaissance-Sopran-, Alt-, Tenor-, Baßblockflöte, Schellentrommel
11 - Johann DEGEN: O Wunder groß [2:04]
Gesang
12 - Ductia (Anonymus, 13. Jh.) [1:25]
2 Platerspiele, Schellentrommel, große Trommel
13 - Alle, psallite (Anonymus aus dem Codex Montpellier, um
1300) [1:45]
Gesang, 2 Altpommern, Vasentrommel
14 - ALFONSO el SABIO: CSM 282. Par Deus, muit' á gran vertude
[3:36]
Dikant-, Tenor-Fidel, Altpommer, Großbaßkrummhorn, Klangstäbe,
Schellentrommel, Vasentrommel
15 - Organum (Robertsbridge Codex, 1330) [1:30]
Tenorpommer, Portativ
16 - Riu, Riu, Chiu (Anonymus, Cancionero de Uppsala, 1556)
[2:50]
Gesang, Schellentrommel, Vasentrommel
17 - Coventry Carol (Anonymus, England 16. Jh.) [3:32]
Gesang
18 - Michael PRAETORIUS: In dulci jubilo [1:20]
Sopranino-, Alt-, Tenor-, Baßgemshorn
19 - Sing we to this Merry Day (Anonymus, England 16. Jh.)
[2:30]
Gesang
20 - Dadme Albricias hyos Deua (Anonymus, Cancionero de
Uppsala, 1556) [1:02]
Sopranschalmei, Alt-, Tenor-, Baßpommer, Tabor
21 - Johann DEGEN: Gelobet seist Du, Jesu Christ [3:29]
Gesang, Diskant-, Altgambe, 2 Baßgamben
22 - Jacob van EYCK (um 1590-1657): d'Lof-zangh Marie
[2:08]
Renaissance-Altblockflöte
23 - Johann DEGEN: O Kind, O wahrer Gottes Sohn [4:21]
Gesang, Renaissance-Sopran-, Altblockflöte, Sopran-, Alt-,
Baßchalumeau, Glockenspiel, Crotales
Capella Antiqua Bambergensis
Wolfgang Spindler
Anke Flügel
Birgit Habedank
Norbert Rosiwal
Markus Sperlein
Andreas Spindler
Thomas Spindler
Wolfgang Spindler
Bernhard Bönig
Kaiserdom Vokalisten Bamberg (#1, 2, 4, 6-9, 11, 13, 16, 17, 19, 21, 23)
Markus Sperlein · Kontratenor
Heiko Müller · Kontratenor
Martin Fösel · Tenor
Guido Sterzl · Baß
Geschichte und Umwelt zu Johann
Degens Bamberger Gesangbuch aus dem Jahre 1628
Die Reformation hatte auch im katholischen Gottesdienst
geändert, was längst fällig war: Das einfache Volk, der lateinischen
Sprache unkundig bis auf vielbenutzte liturgische Formeln, wollte seine
seelischen Empfindungen auch im verständlichen Satz ausdrücken, deutsch
beten und vor allem deutsch singen. Der Bamberger Fürstbischof Veit II.
von Würtzburg (1561–1577) und sein Domkapitel gaben daher 1576 ein
deutsches Diözesan-Gesangbuch heraus, das erste dieser Art im
katholisch gebliebenen Land. Gut ausgestattet und mit Bildern versehen
brachte es auf 244 Seiten genau 62 Lieder, davon 54 mit Notenschrift.
Die Visitationsberichte der folgenden Jahre berichten aber,
daß immer mehr deutsches Liedgut in den Kirchen zu hören war, welches
sein Vorbild in den evangelisch gewordenen Nachbargemeinden hatte. Das
ist verständlich, wenn man die geradezu wundervoll-schönen Dichtungen
und ihre kongenialen Melodien betrachtet, hört oder singt. Der
althergebrachte lateinisch-katholische Choral sprach nur den an, der
hinter die Schönheit und Jahrtausende alte Wahrheit seines
Gedankengutes blicken konnte. Das Volk wollte eine bildliche, fromme,
direkte Verständlichkeit. Für die vielen Sonn- und Feiertage hatte man
traditionell den Schatz gern gesungener Lieder des Mailänder Bischofs
Ambrosius (bis heute!), des Aurelius Prudentius aus Spanien, weitere
altkirchliche Autoren wie Niketas, Sedulus, Gregor. Dichter-Komponisten
wie Hrabanus oder Wipo, Stephan Langton und Arnulf von Löwen, jener
Thomas von Celano und der von Aquin dachten in Latein, führten ihre
Gedanken bis in die kühle Kühnheit der römischen Weltsprache. Die neuen
Lieder aber waren echte Volks-Lieder, in doppelter Bedeutung dieses
Wortes. Man sagt nicht umsonst, Luther habe mit seinen Liedern mehr
Seelen gewonnen, als durch sämtliche Bücher und Predigten. Zur
Reformationszeit gibt es acht evangelische Dichter allein in
Mitteldeutschland, vier im Osten, ebensoviel in Niederdeutschland, in
Böhmen und im Süden sechs, Oberdeutsche und reformierte Liedermacher
zählt man elf, dazu kommt das Liedgut der Böhmisch-mährischen Brüder
und der Schwärmer.
Das Bamberger Gesangbuch hat aber auch die Dichter und
Komponisten seiner Zeit aus Sachsen, Thüringen, Nord-und
Westdeutschland, Osten, Süden als beachtliche Konkurrenz, unter denen
sich leuchtende Sterne befinden: Andreas Gryphius, Heinrich Schütz,
Johann Hermann Schein, Johann Franck, Adam Krieger, Thomas Selle,
Johann Rist, dann jener Paul Gerhardt, nach Luther wohl der
volkstümlichste Dichter, Johann Crüger, und eine Frau befindet sich mit
Ämilie Juliane Reichsgräfin von Schwarzburg-Rudolstadt in fränkischer
Nähe neben vielen hier ungenannt bleibenden. „Cum licentia superiorum”
also mit Erlaubnis seiner Obrigkeit gab dann im Jahre 1628 der Kaplan
Johann Degen von der Bamberger Pfarrkirche St. Martin ein großes Werk
heraus, das wiederum eine erste Stelle in Deutschlands katholischer
Kirche beanspruchen darf, war es doch das erste Diözesangesangbuch mit
vierstimmigen Sätzen: Cantus, Altus, Tenor und Bassus sind jeweils
zusammen auf einer aufgeschlagenen Doppelseite zu finden. Das ist für
damalige Zeiten modern, fand sich doch früher der Cantus nicht als
Oberstimme, sondern in einer mittleren Lage, dem Tenor, was viel
schwerer zu hören und gar zu singen war.
Degen scheint sehr gründlich musikalisch ausgebildet: Nach
Kindheit und Jugend in Weismain, wo er beim sangesfreudigen Kirchenvolk
„die alten anmütigen, geistlichen Melodien apprehendirt ”, gerät er in
die Förderung durch die Oberen des Klosters Langheim; 1613 war Degen
Kaplan in genannter Bamberger Pfarrei. Da er 50 Gulden im Jahre 1615
für den Organistendienst an St. Martin erhält, läßt er die
Vierstimmigkeit seines späterem Gesangbuches auf damalige, meist nicht
dokumentierte Praxis schließen, welche Gesang, Orgel und Instrumente
gleichermaßen beschäftigte. St. Martin hatte nämlich auch die dort
wohnenden Stadtpfeifer für liturgische Zwecke zur Verfügung.
Musikalische Meisterschaft holt sich der Kaplan bei den Werken
der ganz Großen, wie es in alten Zeiten und später (Bach in Lüneburg
und Arnstadt) üblich war: Man studiert, überträgt und bearbeitet andere
Meister. Von Degen ist immerhin eine Motette erhalten, deren Vorlage
ein italienisch textiertes Werk Palestrinas ist Man sollte auch nicht
vergessen, daß die fränkischen Klöster wie Ebrach, zu Banz oder im
genannten Langheim die Wertigkeit heutiger Hochschulen hatten, im
Studium generale und jenen Artes liberales grundwissenschaftlich allen
jetzigen Einrichtungen sicher ebenbürtig waren. Man steht zurecht
staunend in den Relikten der Klosterbibliotheken selbst im ländlichsten
Eckwinkel (Waldsassen, Tepl...) und findet hier in Ausstattung und
literarischer Geschlossenheit die vollkommene Abbildung der
wissenschaftlich greifbaren Welt.
Langheim hatte zum Beispiel im 17. Jahrhundert und wohl auch
schon zuvor und dann bis zum gewaltsamen bayerischen Ende fünf
hauptamtliche Organisten; viele Patres und Fratres sind als exzellente
Instrumentalisten gerühmt und werden in den Tagebüchern des besuchenden
Fürstbischofs eigens erwähnt. Das ist also die Lernsituation, in der
sich der junge Degen befand und wo er genug Lehrer als Ansprechpartner
und Helfer im musikalischen Streben hatte. Nach 15 Dienstjahren in
jener Pfarrei der Gärtner, Fischer, Handwerker und Handelstreibenden
der fürstbischöflichen Residenzstadt hat er anscheinend genug Material
gesammelt, um dieses 607 Seiten starke Buch herausbringen zu können. Es
verwundert die Zahl von nur 132 deutschen und 26 lateinischen Liedern.
Der Grund dieser Seitenfülle liegt aber in der Liebe unserer Vorfahren
zur Fülle der Strophen in sämtlichen Liedern. Vieles ist ja heute nur
noch in Resten vorhanden, was damals christliches Leben ausmachte. Dazu
gehören vor allem Prozessionen in der Pfarrei, in der Stadt, und dann
die Wallfahrten in nähere und ferne Umgebung. Das war alles ohne Musik
undenkbar. So ist das Buch in erster Linie auch nicht für den
Gottesdienst gedacht. Sein Titel sagt deutlich: „ ...von allerlei
Tugentgesäng und Bußpsalmen colligiert, welche in Processionibus,
Creutzgängen / Wallfahrten / bey der H. Meß / Predig und Kirchlehr zu
gebrauchen”. Da steht also die Fülle christlichen Umgangs und vor allem
deutlich der Rang der Vorliebe: Prozession und ' Bittgang, dann die
Wallfahrt, jetzt erst der Bereich des Meß-Gottesdienstes. Man traut
sich beizufügen: Das heute üblich Gejammere über schlechten
Kirchenbesuch ist hausgemacht, da die Forderungen ehemaligen
christlichen Lebens nur noch rudimentär vorhanden sind. Wir arbeiten
eben zuviel und feiern zu wenig, denn das Alt-Bamberger Feiertagsleben
kannte ja neben 52 Sonntagen weitere 54 streng von jeder Arbeit
freizuhaltende christliche Gedenktage. Dreizehn nur sind übrig
geblieben.
Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten sind also der
Schlüssel für die vielstrophigen Lieder. „Es kam ein Engel hell und
klar” hat die unendlich erscheinende Anzahl von 37 Strophen, ebensoviel
„Am Weihnachtsabend in der Still”. Heute noch bekannt ist die kleine
Fassung „Alle Tage sing und sage”: Ursprünglich waren das runde 64
Textteile. Beim Marienlied „Freu dich du Himmelskönigin” wird der
Textüberschwang am auffälligsten. Degen kennt hier 99 Strophen.
Singen war damals fester Lebensbestandteil von jung und alt,
klein und groß. Überdies ging die Obrigkeit mit bestem Beispiel voran,
wie es Degens Vorwort beschreibt: „Wieviel heiliger Leut im Alten und
Neuen Testament / Gott mit Hertzen und Mund zu loben / sich beflissen
haben.” Da werden „die drey edle Knaben im fewrigen Ofen” und natürlich
David genannt. Degen kennt die Kosten der Musik in der Kirche und
benennt sie bei Davids „280. Singer”. Maria legt er das Magnificat in
Herz und Mund, danach den lieben Engeln das himmlische „Gloria in
excelsis Deo”. Aber er denkt auch an die Wurzeln seiner fränkischen
Sangesfreude: „Wil jetzt nicht sagen von den uhralten Teutschen /
welche / da sie noch in der Heydenschafft gewesen / die herrlichen
Thaten ihrer Vorältern in Reimen und Gesangsweiß der posteritet haben
wollen commendirn / wie aus vielen Cronicis zu sehen.” Es kommt zu
seinen direkten Quellen, die sich als frühe Eindrücke in seiner
Vaterstadt am Main erweisen, „und an anderen Orten deß Stiffts
Bamberg”. Da traten „ansehnliche Menner bey 60. und 70. Jahren” in den
Chor und sangen zusammen mit den Schulmeistern und Cantoribus.
Hört man das Ergebnis seiner Kunstfertigkeit, diesen Melodien
durch weitere drei Stimmen harmonische und oft auch rhythmisch innere
Gestaltung zu geben, so steht man mit Hochachtung vor seiner
Bescheidenheit: „Hab mich zwar viel zu gering geschetzt / etliche
Gesäng mit gebührender zier und kunst auff 4 Stimb zu componirn, doch
hat mich der Eyfer / in befürderung Gottes ehr / so weitgebracht / daß
ich mich unterwunden / mein vorhaben ins Werck zu richten / Gott geb
was auch die neydischen Zoili darwider werden außgiessen.”
Prof. Dr. Wolfgang Spindler
April 1992
Kirche des Klosters Michaelsberg, Bamberg | Kaisersaal, Kloster Banz
1993 | Koch Schwann 3-1038-2
1998 | C.A.B. Records CAB-05
capella-antiqua.de
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